Brennende Nordsee: Vor 30 Jahren explodierte die Piper Alpha - 20 Minuten

2022-07-22 09:23:07 By : Ms. Bonnie Wu

Die Piper Alpha war eine Bohrinsel in der Nordsee. Am 6. Juli 1988 kam es zur Katastrophe, bei der 167 Menschen starben.

Die Ölbohrplattform Piper Alpha in der Nordsee nahm ihren Dienst 1976 auf, nachdem drei Jahre zuvor das Piper-Ölfeld entdeckt worden war. Sie stand rund 190 Kilometer östlich der nordschottischen Küste. (Im Bild: die Piper Alpha vor der Katastrophe)

1980 wurde die Plattform so erweitert, dass sie auch Gas fördern und dieses durch eine 206 Kilometer lange Pipeline bis zu den Orkney-Inseln weiterleiten konnte. (Im Bild: die Piper Alpha vor der Katastrophe)

Am 6. Juli 1988 wurde einer von zwei Kompressoren gewartet, die das Gas für den Pipeline-Transport verdichteten. Da die Arbeiten bis 18 Uhr nicht fertig wurden, wurde der Kompressor A nur notdürftig verschlossen. (Im Bild: die Piper Alpha im Moment der Explosion, links)

Eigentlich galt die Bohrinsel Piper Alpha der Unternehmen Occidental Petroleum und Texaco als weitgehend sicher. So wurde bei der Installation im Meer nordöstlich von Schottland im Jahr 1976 darauf geachtet, dass sensible Bereiche und die Mannschaftsquartiere möglichst weit entfernt von möglichen Gefahrenquellen lagen.

Doch nur vier Jahre später wurden die Sicherheitsvorschriften gelockert – weil die ursprünglich als reine Ölplattform konstruierte Piper Alpha für die Gasförderung erweitert wurde.

Eine fatale Entscheidung, denn damit kam etwa der Raum mit den Kompressoren, die das flüchtige Brennmittel für den Pipeline-Transport verdichten, genau neben den Kontrollraum zu liegen, in dem alle Fäden zusammenliefen. Zudem war die Plattform mit zwei Pendants namens Claymore und Tartan verbunden: Von Piper Alpha führte eine 206 Kilometer lange Leitung zu den westlich gelegenen Orkney-Inseln, wo Öl und Gas eingelagert werden.

Am 6. Juli 1988 führten Techniker routinemässige Wartungsarbeiten am Überdruckventil eines der beiden Kompressoren durch, die bis Dienstschluss um 18 Uhr aber nicht abgeschlossen wurden. Das Loch wurde behelfsmässig mit einer Stahlplatte abgedeckt. Der ausführende Ingenieur gab Weisung, Kompressor A dürfe deshalb nicht benutzt werden. Weil der Aufseher der Nachtschicht gerade beschäftigt war, schrieb der Ingenieur aber nur eine Notiz, die er in den Kontrollraum gebracht haben will.

Als Kompressor B um 21.45 Uhr ausfiel und die Stromversorgung zusammenzubrechen drohte, wurde auf Kompressor A umgeschaltet. Eine Weisung sei nirgendwo zu finden gewesen – die Katastrophe nahm ihren Lauf. Unter Hochdruck strömte Gas in den Kompressor und blies die Stahlplatte mühelos beiseite. Zwar wurde sofort Gasalarm ausgelöst, doch die Masse des Brennstoffs war so gross, dass sich das Gas umgehend entzündete.

Die für Ölbrände ausgelegten Brandschutzwände barsten unter der Explosion. Zu allem Unglück war auch das automatische Löschsystem abgestellt, das grosse Mengen Meerwasser eingesogen und auf der Plattform verteilt hätte. Der Grund: Es waren Taucher im Meer, die hätten eingesogen werden können, deshalb wollte man grundsätzlich auf das manuelle Löschsystem umstellen. Die Gasfackel machte es der Crew jedoch unmöglich, das manuelle System auszulösen.

Als wäre das nicht genug, lagen auch noch Gummimatten auf der Plattform herum, welche die Taucher vor scharfem Stahl schützen sollten. Entflammtes Öl, das unter anderen Umständen durch Gitter ins Meer gelaufen wäre, wurde so zu einer Flammenpfütze, die um 22.50 Uhr eine weitere Gasleitung in Brand setzte. Die Arbeiter der Bohrinseln Claymore und Tartan drehten erst jetzt die Leitungen zu. Sie hatten zuvor auf Befehle der Chefetage gewartet, weil das Abschalten und Wiederhochfahren der Förderanlagen ein langwieriger und kostspieliger Prozess war.

Die meisten Arbeiter flohen zu einem Sammelpunkt unter dem Helikopter-Deck, doch aus der Luft war wegen des Rauchs und der Hitze keine Rettung möglich. Einige mutige Männer sprangen 30 Meter tief ins Wasser, was gegen die Vorschriften verstiess, ihnen aber das Leben rettete. Ihre Kollegen versanken um 23.50 Uhr mit drei von vier Modulen im Meer, wobei die meisten infolge von Rauchvergiftung starben.

Ein spezielles Rettungsboot erwies sich als nutzlos: Die Tharos hatte zwar einen ausfahrbaren Steg, doch der brauchte eine Stunde, um in ganzer Länge auszufahren. Auch ihre Wasserkanonen konnten nur beschränkt genutzt werden, weil sie derart stark waren, dass sie Menschen bei Beschuss getötet hätten. Als um 22.50 Uhr die zweite Gasleitung hochging, musste sich das Rettungsschiff zurückziehen, weil überall der Stahl zu schmelzen begann.

Bis Feuer-Fachmann Paul Neal Adair, besser bekannt als Red Adair, aus den USA den Brand löschen konnte, vergingen drei Wochen. Die Sicherheitsvorkehrungen auf Nordsee-Bohrinseln wurden darauf hin drastisch verschärft. Der Preis dafür war jedoch hoch: Auf der Piper Alpha starben 167 Menschen.

Weitere Hintergründe der Katastrophe zeigt dieser Clip. (Video: Youtube/Smithsonian Channel)

Dieser Artikel ist 2012 zum ersten Mal und in veränderter Form erschienen.

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