Einblicke auf dem Milchvieh-Hof Becks-Lohmann in Bönen: Bis ins Glas ist es ein langer Weg

2022-07-22 09:30:00 By : Ms. Sophia Tong

Milch ist ein wichtiger Baustein unserer Ernährung und sehr vielseitig. Bis die Milch ins Glas kommt oder in den Käse, ist ein aufwändiger Produktionsprozess nötig. Landwirte, die Milchvieh halten, müssen Vieles beachten. Wir haben uns auf dem Bönener Hof Becks-Lohmann umgeschaut.

Bönen – Werbetechnisch gut platziert machen einem seit geraumer Zeit massive Rundballentürme an besonders markanten Punkten wie Straßenkreuzungen oder Hofeinfahrten klar: Die Landwirtschaft macht mobil, sie geht mit dem Slogan „Bis ins Glas ist es ein weiter Weg“ und Fotos verstärkt in die Offensive. Was liegt näher, als sich aus dem großen Angebot der landwirtschaftlichen Lebensmittelerzeugung beispielhaft das Produkt herauszusuchen, mit dem jeder im Verlauf seines Lebens in Kontakt gekommen ist: mit der Milch.

Sie ist eines der vielseitigsten Lebensmittel. Ohne sie gäbe es kein Käsebrot, das Müsli am Morgen bliebe staubtrocken, und was wäre ein Mittagsgericht ohne den berühmten „Stich Butter“? Doch der Weg von der Quelle, der Kuh, bis in unsere Kühlschränke ist lang und birgt manches Hindernis.

Der 42-jährige Michael Becks-Lohmann aus Bönen kennt sich seit 20 Jahren in der Milchviehhaltung bestens aus. Zu seinem Bestand zählen rund 230 Kühe der Rasse Holstein, Schwarzbunte und Rotbunte. Diese Tiere gelten als robust und mit bis zu 10 000 Liter Milch pro Kuh und Jahr als leistungsstark.

Doch bis die Milch in den Tank gepumpt und zum Verbraucher gelangt ist, gilt es für den Landwirt, jede Menge an Vorschriften zu beachten. Diese dienen letztlich alle dem Wohl der Kunden. Neben der Auswahl der Rasse, der Anzahl der Tiere, der Kuhstall-Einrichtung, der Fütterung und Pflege und der eigentlichen Milchproduktion gilt es, vieles zu bedenken.

Becks-Lohmanns diverse Stallungen umfassen etwa 2 500 Quadratmeter an Fläche. Je nach Einsatz und Verwendung werden die Tiere in Gruppen in Boxenlaufställen gehalten. Sie können sich vollkommen frei bewegen und ihre Liegeposition aussuchen. „Dazu kommt noch Fressen und Melken – das sind die vorherrschenden Funktionsbereiche,“ erklärt der Fachmann.

Dabei ist „Liegen“ auf einer dreifach Gummimatte plus einer Schaumstoffauflage schon sehr exklusiv – zumindest im Vergleich zu früher. Dieser Bereich wird morgens und abends von Hand gesäubert. Die hintere Spaltbodenabteilung bearbeitet ein Roboter. Der dreht in bestimmten Abständen seine Runden und schiebt den Kot durch die Spalten in den Kotbehälter im Keller des Stalles.

Großen Anreiz bietet die Wellnessabteilung. An verschiedenen Stellen des Stalles sind Bürstensysteme angebracht, die die Kühe selbstständig und gern ansteuern und in Gang setzen. Hier können sie den Hals, den Rücken, die Flanken und den Bauch kräftig ausbürsten lassen, „was sie oft mit besonderem Vergnügen tun,“ beobachtet Becks-Lohmann, „wie sie auch einen Besuch an den Trogtränken nicht verschmähen.“

Zu den weiteren tierhygienischen Maßnahmen gehört auch die dreimalige Klauenpflege im Jahr, von Fachleuten vorgenommen. Eine große Rolle spielt auch die Thermoregulierung. Kühe lieben Kälte eher als Wärme. Daher sind über die Stalllänge verteilt mächtige Ventilatoren im Einsatz, die bei zu hohen Temperaturen für die notwendige Kühlung sorgen. Alle vier Wochen kommt der Tierarzt, um durch frühes Eingreifen Krankheiten vorbeugen zu können.

Eine wesentliche Rolle bei der Versorgung der Tiere spielt das Futter. „Kühe lassen sich nicht austricksen. Sie lieben keine Abwechslung und merken sofort, wenn sich im Futterangebot etwas verändert hat,“ weiß der Landwirt. „Dann sind sie beleidigt und lassen einen das mit geringerer Milchproduktion spüren.“

Also muss die Gras-Mais-Silage jeden Tag gleich sein, angereichert mit Rapsschrot, Mineralfutter, Melasse, Getreide, Mineralfutter, Vitaminen und manchmal etwas Stroh. Alles wird punktgenau als Ration am Computer errechnet und dann im einem gewaltigen Futtermischwagen, der vier Tonnen fasst, zusammengestellt. Die Futterzubereitung für alle hungrigen Vierbeiner im Gesamtbetrieb beläuft sich auf 14 Tonnen täglich. Und: Jedes Futter wird einer sensiblen Probe unterzogen, bevor es ausgebracht wird und später zu einem genüsslichen Wiederkäuen verführt. Fast alles wird auf eigenen Feldern produziert. An die 50 Kilogramm am Tag frisst eine Kuh. Gefüttert wird einmal am Tag morgens, dazu acht mal aufgeschoben und aufgefüllt.

Jetzt wird auch dem Laien klar: Größtes Anliegen des Milchbauern sind die Gesundheit und das Wohlergehen seiner Tiere. Denn in den Verkauf gelangt nur die qualitativ hochwertige Milch gesunder Kühe. Mag der Nachweis einer Medikamentenbehandlung noch so gering sein – der Milchertrag einer medikamentös behandelten Kuh gelangt nicht in die Molkerei. Dafür sorgen die penible Analyse Dank moderner Technik.

Vergeblich sucht man in Becks-Lohmanns Stall nach dem oder der Melker/in. Diese Zeiten sind vorbei. Die moderne Milchkuh hat es heute mit einem Melkroboter und/oder einem Melkkarussell zu tun. Beide Anlagen sind in Extragebäuden untergebracht. Den Roboterraum betritt die Kuh allein, wenn sie Druck hat. Sobald Nr. 482 (einen Namen gibt es nicht mehr) im System erkannt worden ist, laufen alle Vorgänge anhand der Daten ihres Fußbandes bis hin zur Milchanalyse automatisch ab. Der Computer erfasst während des Melkvorgangs alle Parameter. Eine schier unglaubliche Datenmenge wird abgespeichert. Für den Laien sind es böhmische Dörfer, für Becks-Lohmann sichern sie die Existenz. Nachteil der Überwachung: Der Smartphone-Alarm reißt ihn nachts schon mal aus dem Bett.

Die erzeugte Milch durchläuft schließlich ein System verwirrender Röhren. Mit Hilfe eines Plattenkühlers und Wasser wird sie von anfangs 37, 38 Grad Celsius zunächst auf 12 bis 14 Grad heruntergekühlt. Im 15 000 Liter fassenden Tank wird die Milch bei vier Grad gelagert. Das Kühlwasser wird aufgefangen und dient zum Tränken.

Der Vorgang im Milchkarussell verläuft ähnlich, allerdings wird hier morgens und am frühen Abend gemolken. Aus einem Warteraum betreten die Tiere ebenfalls selbstständig der Reihe nach das sich langsam drehende Karussell mit der Kapazität von 30 Tieren. Im Gegensatz zum Roboter ist im Karussell die helfende Hand von Nöten. Seniorchefin Renate Becks-Lohmann und Azubi Moritz Beerbaum reinigen die Zitzen und legen das Melkgeschirr an. Nach Abschluss des Melkvorgang fällt das Geschirr automatisch ab. Die ersten Kühe verlassen das Rondell, die nächsten folgen, um ihren Milchtribut zu leisten.

„Am Tag gibt ein Tier rund 34 Liter Milch,“ erklärt Becks-Lohmann. Alle Melkdaten wie auch das Bewegungsverhalten der Kuh werden täglich gespeichert. Die Probenentnahme bei der Milch wird monatlich durchgeführt. „Bei den Größenverhältnissen und Mengen, mit denen wir umgehen, läuft nichts mehr ohne den Computer“, erklärt der Landwirt. Alle zwei Tage wird die Milch vom Molkereiwagen abgeholt. Es sind jeweils rund 12 000 Liter.

Die Abläufe der Milcherzeugung von der Kuh bis in den Stahltank betrachtet, zeigt sich, dass der Bauer von heute nicht nur die Fruchtfolge und das Tierwohl im Auge haben muss, sondern schon fast einen IT-Fachmann abgeben muss. Michael Becks-Lohmann meistert seine vielfältigen Aufgaben seit Jahren.