Neue Folge & Doku zum 80er: Team Wallraff | Neu in der Mediathek | TVButler.at

2022-09-10 11:23:29 By : Mr. Fisher he

Neue Folge am 29. 9. 2022, Thema wie immer erst kurz vor Ausstrahlung bekannt. Im Anschluss Wallraff-Doku zum 80er. Günter Wallraff, der Rollenspieler - Das Leben eines Aufklärers

Ob als Gastarbeiter, BILD-Reporter, Paketschlepper oder Obdachloser - kaum ein Journalist hat als Undercover-Reporter so viel bewegt wie er: Günter Wallraff. Anlässlich seines 80. Geburtstags am 1. Oktober ehrt RTL ihn am 29. September um 22:35 Uhr mit der sehr persönlichen Dokumentation „Günter Wallraff, der Rollenspieler - das Leben eines Aufklärers“, produziert von Grimme-Preisträger Lutz Hachmeister. Dabei kommen sowohl Günter Wallraff selbst als auch langjährige Weggefährten wie Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, oder der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum von der FDP zu Wort, mit dem sich Günter Wallraff für den inhaftierten „Wikileaks“-Organisator Julian Assange einsetzt.

Günter Wallraff ist eine der bekanntesten Persönlichkeiten im deutschen Investigativ-Journalismus. Mit falschen Identitäten und verfremdetem Aussehen taucht er ab in Arbeitswelten, die geprägt sind von Ausbeutung und Missständen. Sein Ziel: Benachteiligten eine Stimme geben, Arbeitsbedingungen verbessern und Verantwortliche zur Rechenschaft ziehen. Für die einen ein mutiger Gerechtigkeitskämpfer, für die anderen eine journalistische Ikone. Zahlreiche Kolleg:innen – auch im Ausland – haben seine Undercover-Einsätze zum Vorbild genommen.

Die Dokumentation betrachtet sein Lebenswerk sowie aktuelle Aktivitäten des Kölners. Denn Günter Wallraff hat sich nicht auf seinen Erfolgen der 70er und 80er Jahre ausgeruht, als er u.a. in die Rollen des Türken „Ali“ und des BILD-Reporters „Hans Esser“ schlüpfte. Noch heute kümmert er sich um Menschen, die ungerecht behandelt werden und sich wegen fehlender finanzieller oder juristischer Mittel nicht aus eigener Kraft helfen können. Seit zehn Jahren ermittelt er bei RTL in seinen Undercover-Reportagen „Günter Wallraff deckt auf!“ und später „Team Wallraff – Reporter Undercover“ in verschiedenen Wirtschaftsunternehmen, darunter Psychiatrien und Jugendhilfen, Fast-Food-Ketten oder der Versandriese Amazon. Zuletzt kämpften er und seine „Team Wallraff“-Reporter:innen für bessere Zustände in privaten Pflegeheimen. Für die dazugehörige Update-Folge „Team Wallraff – Jetzt erst recht!“, in der Günter Wallraff Gesundheitsminister Karl Lauterbach mit erneuten Recherchen aus der privaten Altenpflege konfrontiert, ist das Team für den Deutschen Fernsehpreis 2022 nominiert.

In der Dokumentation spricht der passionierte Tischtennisspieler und Marathon-Mann zudem darüber, was ihn antreibt und warum er oft auch rastlos ist. Er zeigt verschiedene Stationen seiner Jugend und spricht über sein Verhältnis zur Religion. Dabei lernen ihn die Zuschauer:innen auch von einer sehr persönlichen Seite kennen. Wie denkt er über das Älterwerden? Und welche psychischen und physischen Folgen haben die unzähligen Undercover-Einsätze mit sich gebracht?

Um 20:15 Uhr zeigt RTL übrigens eine neue Folge von „Team Wallraff – Reporter Undercover“.

Neue Folge in der Mediathek – Team Wallraff in der RTL-Mediathek ansehen

Team Wallraff war erneut bei „Alloheim“ undercover mit teils erschreckenden Ergebnissen: fehlendes Fachpersonal, Hygienemängel und Pflegefehler

Günter Wallraff konfrontiert Gesundheitsminister Karl Lauterbach vor laufender Kamera: „Rückblickend hätte ich es richtig gefunden, wenn die Pflege einfach eine kommunale Aufgabe geblieben wäre.“

Rund 130 Tage ist es her, dass Enthüllungsjournalist Günter Wallraff und sein Team in vier privatwirtschaftlich geführten Pflegeeinrichtungen undercover waren, darunter Ketten wie „Sereni Orizzonti“ und „Alloheim“, und dokumentierten, welche Konsequenzen Personalmangel und Sparkurse mitunter haben können. Und tatsächlich zeigte die Dokumentation bereits Wirkung: Nur einen Tag nach der Ausstrahlung wurde die überprüfte Augsburger „Sereni Orizzonti“-Einrichtung angeblich aufgrund eines Corona-Ausbruchs geschlossen – nachdem auch Mitarbeitende die berichteten Zustände bestätigten.

Seitdem erreichten „Team Wallraff“ überdurchschnittlich viele Zuschriften von Zuschauer:innen – darunter Pflegekräfte und Angehörige mit schockierenden Erfahrungen in der Altenpflege. Sie alle schilderten ähnliche Zustände aus verschiedenen Pflegeeinrichtungen, wie sie auch die Reporter:innen bei ihren Undercover-Einsätzen im Spätsommer 2021 erlebten: Verwahrloste Zimmer, Personalmangel und Überforderung sowie Pflegefehler. Ein Betreiber stach in den Zuschriften besonders heraus: der private Anbieter „Alloheim“. Im Februar verwies das Unternehmen unter anderem noch darauf, dass es sich nur um bedauerliche Einzelfälle handele. Aber lassen die zahlreichen aktuellen Hilferufe nicht etwas anderes vermuten? „Team Wallraff“ ist den Hinweisen nachgegangen und war erneut in drei unterschiedlichen privaten Einrichtungen der „Alloheim“-Gruppe undercover. Die besorgniserregenden Ergebnisse zeigt RTL heute, 23.6., um 20:15 Uhr in der neuen Ausgabe „Team Wallraff – Jetzt erst recht!“. Hier gehen Günter Wallraff und sein Team sogar noch einen Schritt weiter als bisher: Vor laufender Kamera nehmen sie die Verantwortlichen in die Pflicht, darunter auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, und unterstreichen ihre Rechercheergebnisse mit Video-Botschaften von Pflegekräften. Auch die „Alloheim“-Zentrale wird mit den Recherchen konfrontiert.

Maxi undercover in der „Alloheim“-Seniorenresidenz „Ederbergland“ in Frankenberg

Das Unternehmen „Alloheim“ ist mit mehr als 240 Seniorenheimen in ganz Deutschland und über 23.000 Pflegeplätzen der zweitgrößte private Anbieter Deutschlands. Den Eindruck, dass sich die Zustände in den Altenheimen des Betreibers scheinbar auch nach den Wallraff-Recherchen im Februar nicht wesentlich verändert haben, bekommen Günter Wallraff und sein Team, nachdem sich unter anderem auch ein Pfleger aus der Seniorenresidenz „Ederbergland“ in Frankenberg meldete. In seinem Hilferuf berichtet er von einem teils aggressiven Umgang mit den Bewohner:innen sowie groben Pflegefehlern. RTL-Reporter Maxi geht den Vorwürfen nach und arbeitet sechs Tage lang als Praktikant in diesem Pflegeheim. Bereits an seinem ersten Tag wird er Zeuge, wie ein über 80-jähriger Bewohner von einem Pfleger beschimpft und gedemütigt wird, weil dieser in sein Bett urinierte – dabei ist bekannt, dass der ältere Herr längst einen Katheter benötigt. Es wird nicht das letzte Mal sein, dass Maxi miterlebt, wie der Bewohner dafür bestraft wird, sich einzunässen.

In einer Stellungnahme an RTL schreibt „Alloheim“ dazu: „Für den Umgang mit inkontinenten Bewohnern gibt es bei ‚Alloheim‘ klare Vorgaben: Menschen, bei denen sich (…) ein unwillkürlicher Harnverlust zeigt, erhalten entsprechende Hilfsmittel, um einem unkontrollierten Urinieren im Bett entgegenzuwirken“. Es heißt weiter: „Wir legen sehr großen Wert auf einen respekt- und würdevollen Umgang mit den uns anvertrauten Bewohnern. Ein anderweitiges Verhalten von den Mitarbeitern gegenüber unseren Bewohnern wird nicht akzeptiert.“

Auch eine personelle Unterbesetzung macht sich in Maxis Praktikum an verschiedenen Stellen bemerkbar. So findet er mehrmals Pflegebedürftige vor, die trotz Betätigung der Klingel eine halbe Stunde oder länger auf Unterstützung warten mussten – und das, während sie bereits auf der Toilette oder dem sogenannten Schieber ausharrten und sich mitunter schon tiefere Abdrücke auf ihren Gesäßen abzeichneten. „Alloheim“ rechtfertigt sich zu diesen Vorwürfen wie folgt: „Grundsätzlich werden Klingeln zeitnah bedient, teilweise kann es zu kurzfristigen Wartezeiten kommen (…). Ein Druckgeschwür aufgrund eines Hilfsmittels wie z.B. einem „Topf“, ist in unserer Einrichtung nicht vorgekommen. Die Hautverhältnisse jedes einzelnen Bewohners sind jedoch sehr individuell, so dass es schon nach kurzer Zeit des Auflagedrucks zu leichten Abdrücken kommen kann.“

Jana undercover in der „Alloheim“-Seniorenresidenz „Auetalblick” in Malente

Auch aus dem Seniorenheim „Auetalblick“ in Malente, ebenfalls „Alloheim“-geführt, erreichte Günter Wallraff eine sehr besorgniserregende Nachricht von einer ehemaligen Pflegekraft. Um herauszufinden, ob sich die Vorwürfe erhärten, bewirbt sich RTL-Reporterin Jana im Frühjahr 2022 in dieser Einrichtung. Wie schon ihr Kollege Maxi stößt auch sie während ihres achttägigen Praktikums auf gravierende Missstände. Sie merkt schnell, wie ausgelastet ihre Kolleg:innen sind und dass Bewohner:innen dadurch des Öfteren auf der Strecke bleiben. So finden Jana und eine Kollegin beim Verteilen des Frühstücks eine ältere Dame vor, die kotverschmiert in ihrem Bett liegt. Die Bewohnerin hat einen künstlichen Darmausgang, doch der Stomabeutel muss sich über Nacht gelöst haben. Der Ursache auf den Grund gehen, möchte Janas Kollegin aber offenbar nicht – schließlich sei dafür ein anderer Kollege zuständig. Stattdessen lässt sie die Dame in diesem würdelosen Zustand mit dem Essen zurück. Ein „Alloheim“-Sprecher äußert sich dazu folgendermaßen: „Grundsätzlich kann es passieren, dass sich ein (...) Stomabeutel aufgrund von Eigenbewegung des Trägers und der Hautbeschaffenheit löst. (…) Unsere Bewohner erhalten eine pflegefachliche Begleitung (…) vom künstlichen Darmausgang, je nach Situation, Bedarf und unter Berücksichtigung ihrer kognitiven Fähigkeiten. Das Zimmer dieser Bewohnerin war und ist in einem ordentlichen Zustand und nicht kotverschmiert.“

Das Schicksal der Bewohnerin begleitet die RTL-Reporterin während ihres gesamten Undercover-Einsatzes. So kommt es während Janas Praktikums aufgrund einer defekten Klingelmatte auch zu mehrfachen Stürzen dieser Dame - mit Platzwunden und Hämatomen als Folge. In ihrer Stellungnahme schreibt die „Alloheim“-Kette, dass defekte Klingelmatten bei sturzgefährdeten Personen nicht bekannt seien. Grundsätzlich würden defekte Hilfsmittel umgehend repariert oder ausgetauscht werden.

Alesia undercover in der „Alloheim“-Seniorenresidenz “Brunswik” in Braunschweig

Fehlendes Fachpersonal sowie grobe Pflegefehler – das soll es auch in der „Alloheim“-Seniorenresidenz „Brunswik“ geben. Daher bewirbt sich RTL-Reporterin Alesia im Frühjahr 2022 für ein zweiwöchiges Praktikum auf der Station „Junge Pflege“. Hier geht sie außerdem dem Vorwurf nach, dass der Konzern mit diesem neuen Konzept eine Lücke im Gesundheitssystem ausnutzen würde, um mehr Profit zu machen. Dabei werden pflegebedürftige Menschen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren in einem Altersheim untergebracht und betreut. Und auch in dieser Einrichtung kann Alesia eine Vielzahl an Missständen dokumentieren, unter anderem erhebliche Mängel bei der täglichen Hygiene der Bewohner:innen mit teilweise schmerzhaft aussehenden Entzündungen. Ob es die Mitarbeitenden einfach nicht besser wissen? Gegenüber Alesia geben einige zu, dass sie keine richtige Einarbeitung erhalten hätten. „Alloheim“ dementiert das und schreibt in der Stellungnahme an RTL: „Sämtliche in der Jungen Pflege tätigen Pflegehelfer erhalten eine vierwöchige Einarbeitung in die Junge Pflege inklusive Schulungen zu den Krankheitsbildern und dem Umgang damit. Dies erfolgt unabhängig von und zusätzlich zu einer Ausbildung als Pflegehelfer. (…) Ein Einsatz von Pflegehelfern in der Jungen Pflege erfolgt den Vorschriften entsprechend zudem unter Betreuung durch eine Pflegefachkraft.“

Mangelnde Fachkenntnisse beim Personal machen sich für Alesia vor allem bei Bewohner:innen mit psychischen Erkrankungen bemerkbar. Ein Schicksal, das der Reporterin besonders nahe geht, ist das einer jungen Frau: Seit einem Suizidversuch lebt sie im Braunschweiger „Alloheim“, untergebracht in einem Zimmer voller Gummimatten zum eigenen Schutz, allein und ohne Beschäftigung. Öfters schreit die junge Frau stundenlang. Zur Beruhigung soll sie Kinderfernsehen schauen. Dabei wirbt das Pflegeheim sogar damit, verschiedene Therapie- und Beschäftigungsmöglichkeiten für Pflegebedürftige der „Jungen Pflege“ anzubieten. Eine Unterbringung auf diesem Bereich wird mit knapp 6.000 Euro im Monat festgelegt. Von Therapieangeboten bekommt die Reporterin in ihrem Praktikum allerdings nichts mit. Dazu schreibt „Alloheim“ in ihrer Stellungnahme, dass die Pflegekräfte zahlreiche, auch psycho-soziale, Schulungen durchlaufen würden und rechtfertigt: „Ziel der Jungen Pflege ist der Erhalt der Mobilität sowie die Förderung und Rückkehr in eine mögliche Rehabilitation, selbstständigere Wohnform oder selbstständigeres Leben. (…) Den (…) Vorwurf, dass die Bewohner in der „Jungen Pflege“ nicht ausreichend aktiviert werden, weisen wir (…) entschieden zurück. (…) Darüber hinaus verwahren wir uns gegen den Vorwurf, dass es ‚Alloheim‘ primär nur um Mehrgewinn gehe.“ Der Betreiber schreibt außerdem, dass die Bewohner:innen das Fernsehprogramm selbst bestimmen würden.

Karl Lauterbach stellt sich „Team Wallraff“-Recherchen

Nicht nur die „Alloheim“-Kette muss sich dem harten Urteil von „Team Wallraff“ stellen, sondern auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach wird von Günter Wallraff sowie Pflegexpertin Prof. Dr. Tanja Segmüller in einem Interview in die Pflicht genommen. Vor laufender Kamera zeigen sie ihm das Videomaterial aus den Undercover-Einsätzen. Wie konnte es so weit kommen? Für den Gesundheitsminister liegt der Fehler in der Privatisierung der Pflegebranche: „Jetzt ist es so, dass diese privaten Investoren einfach nicht enteignet werden können. Das ist rechtlich so nicht machbar. Rückblickend hätte ich es richtig gefunden, wenn die Pflege einfach eine kommunale Aufgabe geblieben wäre.“ Was also muss passieren?

Günter Wallraff findet dafür klare Worte: „Die ‚Alloheim‘-Kette spricht wieder einmal von individuellem Versagen und Einzelfällen. Ich überlasse es Ihnen, dies zu beurteilen. Meiner Meinung nach müssten die teils entwürdigenden Bedingungen sofort abgeschafft werden. Gewinnmaximierung auf Kosten der Bewohnerinnen und Bewohner darf es grundsätzlich in keinem Pflegeheim geben. Konzerne wie ‚Alloheim‘ müssen viel strenger kontrolliert werden – und wenn sie Renditedruck und menschenwürdige Pflege nicht vereinen können, müssen sie geschlossen werden."

Der hier genannte Betreiber bestreitet die Vorwürfe, zur Gewinnmaximierung an Qualitätsaspekten und Fachpersonal zu sparen.

Begleitend zur TV-Ausstrahlung erscheint zudem eine neue Folge von "Team Wallraff – Der Podcast" bei AUDIO NOW und überall sonst, wo es Podcasts gibt. Darin sprechen die Reporterinnen Alesia und Jana über ihre persönlichen Erfahrungen bei den Undercover-Einsätzen in der Altenpflege und über die Dinge, die im TV nicht zu sehen waren. Sie schildern, wie sie die Missstände aus nächster Nähe mitbekommen haben und was sie daran nachdenklich gemacht hat. Welche Situationen gingen ihnen besonders nahe? Wann sind sie an ihre Grenzen gekommen? Und was können Angehörige tun?

Missstände sichtbar machen, Menschen aufrütteln und Konsequenzen anstoßen. Diesem Motto bleibt "Team Wallraff - Reporter undercover" treu. Auch in der neuen Ausgabe begeben sich Günter Wallraff und sein Reporter-Team in aufwendige Undercover-Recherchen und decken alarmierende Bedingungen in der Arbeitswelt auf. Wie immer gibt RTL das Thema der Sendung erst kurz vor Ausstrahlung bekannt.

Für eine neue Investigativ-Reportage war das „Team Wallraff“ in vier privatwirtschaftlich geführten Pflegeeinrichtungen undercover und hat dabei zahlreiche Missstände dokumentieren können. Diese erhärten den Verdacht, dass Heime, die von so genannten Private-Equity-Unternehmen betrieben werden, zum Teil das Wohlergehen der Bewohner:innen aus den Augen zu verlieren scheinen. Was die „Team Wallraff“-Reporter:innen vor Ort erleben, wirkt erschreckend. Sie begegnen verängstigten, einsamen und vernachlässigten Heimbewohner:innen, die unter teils fragwürdigen Hygienebedingungen zu leiden haben. Und sie erleben überlastetes Pflegepersonal, Personalmangel und Führungskräfte, die aus dem Kostendruck der Konzerne keinen Hehl machen.

800.000 Menschen leben heutzutage in deutschen Pflegeheimen, bis 2030 wird diese Zahl voraussichtlich auf eine Million ansteigen. Schon jetzt fehlen bundesweit 35.000 Altenpfleger:innen. Um den künftigen Bedarf der Heime zu decken und alte Menschen angemessen betreuen zu können, sind laut Studien sogar 120.000 zusätzliche Fachkräfte nötig. (Barmer Pflegereport 2021) Rund 43 Prozent der deutschen Pflegeheime sind heute in privatwirtschaftlicher Hand. Tendenz steigend. Und private Betreiber der Heime scheinen sich den rapide steigenden Bedarf an Pflegeplätzen zunutze zu machen. Das Team Wallraff vermutet dahinter ein System: Private-Equity-Unternehmen nehmen Bankkredite auf, um Pflegeheime zu übernehmen, sie so gewinnbringend wie möglich zu betreiben und nach einigen Jahren wieder zu verkaufen. Währenddessen wird in den Heimen gespart, wie es eben geht. An Personal, Material und am Essensangebot. Aber sind alte Menschen in diesen Heimen wirklich gut aufgehoben? Scheint in privatwirtschaftlichen Unternehmen der Profit der Heime etwa wichtiger zu sein als das Wohl der Bewohner:innen? Kann das Personal unter den Gegebenheiten den Bedürfnissen der Heimbewohner:innen gerecht werden? Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Stefan Sell verweist auf schockierende Studien: „Mittlerweile liegen die ersten gesicherten Studien aus den USA und Kanada vor und diese Studien zeigen ganz eindeutig eine deutlich höhere Sterblichkeit in den Heimen und Einrichtungen, die von Private Equity Fonds geführt werden als z.B. in denen von kommunalen und gemeinnützigen Einrichtungen.“

Wie sieht es in manchen deutschen Pflegeheimen aus und erhärtet sich unser Verdacht wirklich? Team Wallraff war undercover in Heimen der Betreiber „Sereni Orizzonti“, „Alloheim“ und „Emvia Living“. RTL zeigt die neue Ausgabe von „Team Wallraff – Reporter Undercover“ am heutigen Donnerstag ab 20:15 Uhr unter dem Titel „Abgeschoben und vergessen: Das würdelose Geschäft mit alten Menschen in unseren Pflegeheimen“.

Carolin undercover im Seniorenheim Augsburg (Sereni Orizzonti)

Die erschreckenden Zustände in einem Schlierseer Pflegeheim der Betreiberkette Sereni Orizzonti, sind nach einem Corona-Ausbruch im Mai 2020 öffentlich geworden. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt hier wegen 17-facher Tötung und 88-facher Körperverletzung. Günter Wallraff und Reporterin Carolin möchten wissen, wie es in dem zweiten deutschen Heim der italienischen Kette in Augsburg, aussieht. Carolin absolviert im August 2021 ein neuntägiges Praktikum in dieser Einrichtung und erlebt zahlreiche besorgniserregende Missstände. In Gesprächen mit dem Heimleiter bekommt Carolin den Eindruck, dass die Bewohner:innen zumindest auch als Geldquelle angesehen werden. Der Heimleiter offenbart ihr, dass kurz zuvor fünf Bewohner:innen gestorben sind und er die große finanzielle Lücke (2000 Euro je BewohnerIn pro Monat) schnell stopfen müsse.

Über einen Besuch der FQA (Fachstelle und Aufsicht für Pflege- und Behinderteneinrichtungen, die die Qualität der Einrichtungen nach dem Bayerischen Pflege- und Wohnqualitätsgesetz überprüft, kurz: Heimaufsicht) weiß das Personal der Augsburger Einrichtung offenbar Bescheid. Eine Pflegerin ist froh, dass eine Bewohnerin, die unter einem schlimmen Dekubitus leidet, für den Zeitraum des Besuchs in ein Krankenhaus kommt und erzählt davon Carolin und ihren Kolleg:nnen. Ein Dokument, das vorgibt, dass diese Bewohnerin alle zwei Stunden in ihrem Bett umgedreht werden müsse, weist bei Carolins Kontrolle Lücken auf. Kolleginnen behaupten auf Nachfrage, Pflegefehler hätten diesen Dekubitus verursacht, was die Heimleitung abstreitet.

In einer Stellungnahme an RTL schreibt die Heimaufsicht dazu: „Am 11.08.2021 fand keine Begehung, sondern eine Beratung statt. (…) Die Beratung war terminlich mit der Einrichtung vereinbart.“

Daniel undercover in der Alloheim Senioren-Residenz Herzberg

Das Alloheim in Herzberg am Harz hatte im Februar 2021 Schlagzeilen gemacht, als dort eine ältere Dame erfroren ist, nachdem sie das Heim durch einen Notausgang verließ und nicht mehr zurück fand. Waren zu wenig Pfleger:innen anwesend? Wie konnte das passieren? Um sich ein eigenes Bild von den Zuständen in der Einrichtung zu machen, bewirbt sich „Team Wallraff“-Reporter Daniel im Spätsommer 2021 als Pflegepraktikant. Auch im Seniorenheim Herzberg herrscht offenbar großer Personalmangel. Die Pflegekraft auf der Demenzstation erzählt, dass sie sich allein um 15 Bewohner kümmern müsse. Für insgesamt drei Stockwerke seien nur drei Pfleger:innen im Dienst. Bereits an seinem vierten Praktikumstag soll Daniel allein für die 15 Bewohner:innen auf der Demenzstation arbeiten. Als aus einem Katheter immer mehr Flüssigkeit austritt, ist Daniel gänzlich überfordert. Wie kann es sein, dass ein Pflegeheim einen Praktikanten allein auf eine Demenzstation schickt?

Ein Sprecher der Alloheim Senioren-Residenzen rechtfertigt die Personalsituation wie folgt: „Aufgrund eines vorübergehend außergewöhnlich hohen Krankenstands zum Höhepunkt der Urlaubssaison kam es im August zu unserem Bedauern kurzzeitig zu vorübergehenden Engpässen. Alloheim hat sofort gehandelt und durch die ergriffenen Maßnahmen hatte sich die Personalsituation bereits im September spürbar verbessert.“ Und: „Nach einer entsprechenden Einweisung durch unsere Pflegekräfte (…) ist ein begleitender Einsatz von Praktikanten auf den Wohnbereichen möglich. Dies umfasst grundsätzlich in gleicher Form auch den Demenzbereich.“

Judith undercover in der Alloheim Senioren-Residenz Dormagen

War das Alloheim in Herzberg nur eine Ausnahme oder gibt es auch Beanstandungen in einem anderen Heim dieser privatwirtschaftlich geführten Pflegeheimkette? Um das herauszufinden, bewirbt sich Reporterin Judith im Spätsommer 2021 in der Seniorenresidenz in Dormagen. Auch Judith stößt während ihres zweiwöchigen Praktikums auf Umstände, die zumindest bei ihr den Eindruck eines Sparkurses vermuten lassen. Grundlagen des täglichen Bedarfs, wie Bettlaken, Einlagen und Kompressen, sind in diesem Pflegeheim während ihres Einsatzes teils nicht ausreichend vorhanden. Etwa 90 Minuten sucht die Reporterin im Haus nach frischen Bettlaken, um einer Dame endlich das eingenässte Bett frisch zu beziehen. Hierzu nimmt Alloheim wie folgt Stellung: „Zu unserem Bedauern kam es im August 2021 in Dormagen aufgrund eines solchen individuellen Fehlers übergangsweise dazu, dass die zentrale Reserve nicht ausreichend gefüllt war. Sobald dieser Fehler identifiziert war, hat Alloheim gehandelt und ihn behoben.“ Man spare nicht an Qualität und nicht an Material.

Günter Wallraff undercover im Seniorenheim Flora Marzina in Herne

Die Einrichtung Flora Marzina in Herne gehört heute zum Träger Emvia Living. Auch dahinter verbirgt sich ein Private-Equity-Unternehmen. Aus dieser Einrichtung erreichte Günter Wallraff der Hilferuf einer 87-jährigen Bewohnerin, die über schlimme bauliche Mängel wie z.B. Wasserschäden, ausfallende Heizungen, nicht behindertengerechte Duschen klagt sowie nicht ausreichendes Essen. Rosemarie Dürselen ist seit 2018 in der Einrichtung untergebracht. Mitunter käme es sogar dazu, dass sie beim Essen ganz leer ausgehe, da ihr Zimmer am Ende des Gangs liege und das Essen nach ihrer Aussage nicht immer für alle Bewohner:innen reiche. Das bestätigen zwei Pflegekräfte, die Günter Wallraff verdeckt interviewt. Sie berichten weiter, dass wohl einige Pflegekräfte inzwischen sogar aus ihrer eigenen Tasche heraus Lebensmittel für die Bewohner:innen einkaufen würden.

Eine Sprecherin der Emvia Living verweist auf bestehende Baupläne und Investitionssummen im Millionenbereich, um das Haus zukunftsfest zu gestalten. Diese würden schrittweise umgesetzt: „Eine Maßnahme war zum Beispiel der Einbau einer neuen Heizungsanlage im Sommer 2021. Bewohner*innen und Angehörige wurden im Vorfeld über die zweitägige Maßnahme informiert. Die Bewohner*innen wurden für die Tage mit Decken und Heizstrahlern versorgt.“ Zu Verpflegung äußert Emvia Living, „in der hauseigenen Küche werden alle Bewohner*innen täglich frisch bekocht. […] Auf Wunsch können auch die Mitarbeitenden im Haus essen. Es ist ausreichend vorhanden.“

Günter Wallraff kritisiert allgemein den privatwirtschaftlichen Gedanken in der Pflege als solchen. Sollten Gewinne im Vordergrund stehen, müsse das System grundlegend geändert werden: „Spekulationsinteressen und Profitgier von Pflegekonzernen, der Kostendruck in rein renditeortientierten Unternehmen und der dramatische Personalmangel in der Pflege verschärfen sich zunehmend. Die Leidtragenden dieses Systems sind neben den Pflegebeschäftigen alte und hilflose Menschen, die regelmäßig zu Opfern eines Systems werden, das sich niemand für seine Angehörigen oder sich selbst wünscht.“

Alle hier genannten Betreiber bestreiten die Vorwürfe, zur Gewinnmaximierung an Qualitätsaspekten und Fachpersonal zu sparen.

Ein Interview mit Günter Wallraff sowie Zitate der "Team Wallraff"-Reporter:innen finden Sie in unserem Media Hub.

RTL-Reporter haben sich über mehrere Monate in verschiedene Branchen eingeschleust. Ihr Mentor: Günter Wallraff, Deutschlands bekanntester Enthüllungsjournalist, der mit seinen Undercover-Reportagen seit Jahrzehnten immer wieder gravierende Missstände in der Arbeitswelt aufgedeckt hat. Der 72-Jährige steht seinem Team nicht nur beratend zur Seite. In jeder Folge schlüpft er in mindestens eine wichtige Rolle.

Jan Rasmus, Redaktionsleiter „Team Wallraff“: "Die hervorragenden Zuschauerzahlen und die vielen positiven Kommentare zu den Enthüllungen des Teams Wallraff in den sozialen Netzwerken ermutigen uns, investigativ am Ball zu bleiben. Wir werden auch einigen der vielen Anregungen nachgehen, die wir von Zuschauern und Betroffenen bekommen haben. Deshalb bin ich sicher, dass Günter Wallraff und unsere Undercover-Reporter auch in Zukunft eklatante gesellschaftliche und arbeitsrechtliche Missstände aufdecken werden, die unbedingt ans Licht der Öffentlichkeit gehören."

Für „Team Wallraff - Reporter undercover“ haben sich Reporter in  verschiedene Branchen eingeschleust. Ihr Mentor: Günter Wallraff, Deutschlands bekanntester Enthüllungsjournalist, der mit seinen Undercover-Reportagen seit Jahrzehnten immer wieder gravierende Missstände in der Arbeitswelt aufgedeckt hat - ohne vor mächtigen Institutionen, großen Marken oder Namen zurückzuschrecken. Wallraff steht seinem Team nicht nur beratend zur Seite. In jeder Folge schlüpft er in mindestens eine wichtige Rolle.

Gemeinsam deckt das Team Wallraff nicht nur schlechte Arbeitsbedingungen und miese Bezahlung in allen drei Branchen auf. Überall müssen sie zudem feststellen, dass - auch bedingt durch eine massive Überforderung von Mitarbeitern - durch die systematisch in Kauf genommenen Missstände immer wieder die Gesundheit und Sicherheit unbeteiligter Bürger gefährdet sind.